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IBICABA Das Paradies in den KöpfenEveline Haslers Rekonstruktion eines Auswandererzuges Schweiz-BrasilienDie
effektvolle Kolonialisierung des Rests der Welt durch die Mittel- und West-Europäer
hat uns und der Zukunft dieses Planeten die Marschrichtung zu einem grossen
Teil zugewiesen. Sie kann und muss oft als Argument für allerlei herhalten.
Es geht dabei oft um eigentlich abstrakte Sachverhalte wie Missionierung,
Völker-Ausrottung, die dominante Gesellschaftsform, Kultur-Clash und
anderes. Darob gerät viel konkretes Vergessen. Der menschliche Aspekt, die
Beweggründe und Bürden, die ein einzelner konkreter zeitlich (die
Dauer eines Menschenlebens) und örtlich (die Ausdehnung eines menschlichen
Organismus') beschränkter Mensch hat resp. sich aufbürdet, um Teil
dieser "Kolonialisierung" zu sein, verbleicht fast ob all der "historisch
relevanten Fakten" wie Schlachtdaten, Entdeckungsdaten, und so weiter. Eveline Hasler, die mit "Anna Göldin. Letzte Hexe" bekannt wurde,
hat nun die vorhandenen Dokumente über einen Auswandererzug von 1855
aus dem Bündnerland nach Brasilien in all seinen Details nachgezeichnet.
Es geht von der dichten Beschreibung des Lebens "zu Hause" in den Schweizer
Alpen zu dieser Zeit über die sorgfältige Begleitung auf dem sehr
beschwerlichen Weg mit seinen vielen Gesichtern bis zur Ankunft im "Paradies"
und der bodenlosen Ernüchterung. Und die ganze Erzählung ist durchwoben
mit dem Gedanken an das, was in den Menschen drin vorgeht. Die Hoffnungen,
?ngste und Erinnerungen nehmen in diesem Buch eine ganz wichtige Position
ein. Durch die konsequente Reduktion auf einen ganz konkreten Fall in all seinen
Einzelheiten bringt diese Geschichte viel Allgemeingültiges zum Ausdruck
und stimmt wiederholt sehr nachdenklich. Es ist ein Porträt von einzelnen
Menschen, die in ihrer Heimat in einem grossen allgemeinen Notzustand leben.
Die dann einerseits viel Mut beweisen und andererseits relativ leichtgläubig
den Profiteuren auf den Leim gehen. Es ist auch eine Erzählung aus einer
Zeit, wo Entscheidungen noch absoluter und definitiver und die Welt noch
grösser waren als heute. Gleichzeitig kann ich z.B. mich und uns und
unsere Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen in dieser Geschichte wiederfinden.
Die Konfrontation der Gedanken mit der Realität. Ganz sachlich betrachtet hat mir die Lektüre dieses Buches ein detailliertes
Bild der beschriebenen Zeiten und Orte gezeichnet. Die Widerwärtigkeit
des Alltags in den Bergen, der Aufwand langer - aber auch relativ kurzer!
- Reisen, die Leiden und Probleme, in komplett unbekanntem Klima, unheimlicher
Flora und Fauna durchzukommen. Mir hilft es zu sehen, dass der Mensch zäh ist, vieles durchsteht
und vor allem auch schon durchgestanden hat. Das Buch hat viele Emotionen
in meinem Alltag relativiert, mir eine Verbindung in eine andere Zeit für
mein Gefühl nutzbar gemacht. Das Buch ist für diejenigen geschrieben, die sich für die menschlichen
und bodennahen Implikationen von geschichtlichen Strömungen interessieren.
Das Buch ist auch leicht und angenehm lesbar. Diese Lektüre hat mich weitergebracht, und ich empfehle sie wärmstens. |