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[second level] 21.11.02
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[third level] 11.11.02
Je früher, desto besser?
Kommentare zur Diskussion um die Einführung von Internet in den ersten Schuljahren
In den vergangenen Jahren und einhergehend mit der Internet- und IT-Euphorie
wurde die Einführung von Computer und Internet an Schulen in weiten
Teilen des Landes und der Welt zu einem Politikum. Dies ist ein Plädoyer
gegen die Eile, sie in frühestes Kindesalter zu schieben.
Dieser Beitrag soll
so gehalten sein, dass aus dem Text auch Strategien herleitbar sind, die
Einführung wenigstens vernünftig zu gestalten, wenn sie denn doch schon
beschlossene Sache ist. Ich werde zur Argumentation unter anderem auf
das Ideengut der Kybernetik und des hoffentlich gesunden
Menschenverstands zurückgreifen, versuche aber, die verwendeten Begriffe und
Konzepte immer gleich zu erklären.
Ich bespreche hier die Situation in unserer Gesellschaft. Die Argumentationslinien
würden sich anders hinziehen, wenn man
in Kulturen eindringen würde, wo vielleicht die Indoktrination und Diktatur
der lokalen Interessen durch die frühe Auseinandersetzung mit anderen Sichtweisen abgefedert würde.
Zum Einstieg eine Parallele
Vergleiche ich das Bündel Computer-Internet mit dem alten Bündel
Schreibmaschine-Fernseher, so kann ich zusammenfassen:
Wem wäre je in den Sinn gekommen, zweiteres möglichst früh
in die Schulkarriere einzubauen? Die Schreibmaschine ist (war) zwar ein Instrument,
mit dem man "schöner" schreiben kann (konnte), aber es war damals noch
allen klar, dass junge Menschen zuerst buchstabieren, dann schreiben, und
dann Vernünftiges schreiben lernen müssen. Und dass die Benützung
des Tools "Schreibmaschine" für junge Erwachsene - gegen Ende der Schulzeit
- oder gar Erwachsene vergleichsweise einfach erlernbar ist. Das wichtige
war also, in jungen Jahren den kreativen und inhaltlichen Teil zu fördern,
und dann später die Form noch zu perfektionieren. Und da sprach niemand
davon, dass die Kinder zu Ewig-gestrigen würden, wenn sie nicht schon
in der ersten Klasse das Zehnfingersystem erlernen.
Um die andere Flussrichtung zu berücksichtigen, kann man dann das
Internet als Informationsquelle mit dem Fernseher vergleichen. Ein Gerät,
dessen Bedienung man in der Grundschule lehren soll? Die Geschichte zeigt
uns doch, dass dies von zuhause gelernt wird und schon von selbst nicht zu
kurz kommt.
Wie soll es denn gehen?
Ein Abstecher in die Kybernetik lehrt mich, dass das Grosse im Kleinen
geschieht, und dass sich die Komplexität der beiden interagierenden
Systeme entsprechen soll.
So muss die Komplexitätsfähigkeit des Schülers bei der
Wahl der Komplexität des Lehrinhalts berücksichtigt sein. Wird
dies getan, lehrt man Gedanken- und Verarbeitungsprozesse, welche dann mit
fortschreitendem Alter und wachsender Erfahrung leicht an entsprechend grössere
Komplexität angepasst werden können.
Konkret heisst das, dass Kinder, welche gerade knapp schreiben und lesen
können, lieber wertvolle und vom Erzieher kontrollierbare Qualitätsprodukte
vorgesetzt bekommen sollen. Lachen muss ich über die Paranoia um die
Kontrollierbarkeit von den Click-Wegen der Kleinen. Wo dann allerlei Blockiersoftware
gekauft und abonniert wird, die dann notorisch veraltet und umgangen wird.
Und dabei kann man den "gefährlichen" Computer einfach durch echte Papierbücher
ersetzen, bei denen die Kontrolle perfekt ist, man durch das Gewicht des
Objektes auf der Hand einen Wert spürt und durch das Umblättern
der Seite den Prozess des Lesens oder Anschauens "hautnah" und physisch erlebt.
Das Argument, Kinder müssten das Internet zum Recherchieren kennenlernen,
ist absolut haltbar. Aber eben mit Ende Schulzeit! Vorher geben ein angeschafftes mehrbändiges
Lexikon - das billiger ist als ein einziger PC -, aufzubauende persönliche
Kontakte und sonstige Recherchearbeit mit physischen Mitteln bei weitem genug
her für den heranwachsenden Geist. Die Bewältigung der Komplexität
von den Inhalten des uneingeschränkten Internets, und vor allem die
Gewichtung und Beurteilung der Quellen und das Gespür für
deren Bonität übersteigt bei weitem die Fähigkeiten und die
Bedürfnisse des Kindes. Es soll eben lieber von der Erziehenden Person
lernen, was gute Inhalte sind, und zwar lieber schwarz auf weiss als Pixel
neben Pixel.
Sicher bemerkt muss auch noch werden, dass - absolut natürlicherweise,
und ohne dass das "peinlich" sein soll für die Betroffenen - viele Erziehende
selber nicht auf der Höhe der hier besprochenen technischen Tools sind.
Und das eben vielleicht genau deswegen, weil sie sich Qualität gewohnt
sind und kein Interesse an Datenmüll haben.
Warum denn doch?
Hinter der Lobby für die frühest-mögliche Einführung
von Computer und Internet steht immens viel Kommerz. Einerseits die ganze
Ausstattergilde - Netzwerkbetreiber, Computer- und Softwareanbieter mit all
ihren Vasallen, sprich Vertreibern und Investoren -, die hier nicht nur guten
Absatz, sondern auch sehr günstige und effektive Werbung platzieren
können, und andererseits eine durch Medienschaffende repräsentierte
Gesellschaft, die in den letzten Jahren alles Glück, allen Fortschritt
und allen Reichtum im Vorantreiben von Informatik sah (und hoffentlich nicht
mehr so ausschliesslich sieht). Da die ganze Technologie, um die es ja eigentlich geht
Ich möchte keiner Erzieherin und keinem Erzieher unterstellen, er
oder sie würde die unkontrollierte Verwendung von Computer und Internet
einführen, um der erzieherisch wichtigen (wichtigsten?) Aufgabe auszuweichen,
die Auswahl der Inhalte und die Verantwortung für gelernte Werte zu
tragen. Und trotzdem sehe ich da ein vielleicht verheimlichtes Argument der
Lobby. Ganz im Sinne der tollen Sache mit dem Fernseher, der einem die schreienden
und erwartungsvollen Kinder vom Leibe schafft, indem er ihren Appetit auf Sinneseindrücke stillt.
Kompromiss
Wie soll ich umgehen mit dem gefassten Entschluss für die frühe Einführung?
Was machen mit Schulkindern am Computer und im Internet?
Wenn denn die Einführung doch schon beschlossene Sache ist, ergibt
sich daraus für die Verantwortlichen eine sicher lehrreiche und grosse
Herausforderung. Denn was einfach ist bei der Auswahl relevanter, guter und
spannender Bücher, ist im digitalen beliebig komplex.
Sicher würde es zum Anfang helfen, ein lokales Netz zu verwenden.
Also ohne externe Internetverbindung, sondern mit selbst heruntergeladenen
oder gar selbst geschaffenen Inhalten auf dem lokalen Rechner oder für
interessierte Lehrkräfte gar auf einem lokalen Server. Da ist die Kontrolle
faktisch immer noch gleich gross wie im Zeitalter davor, doch die "zu erlernenden
Fähigkeiten" wie "auf Link klicken" können trotzdem schon gelernt
werden. Jedoch ist der Aufwand wahrscheinlich für die Verantwortliche
einiges grösser als bei herkömmlichen Medien - v.a., wenn es sich
auch für sie selbst um ein neues Medium handelt, in das sie sich noch
einarbeiten muss.
Später gibt es wohl keine gross andere Wahl, als dem heranwachsenden
Individuum ein gesundes Set an Ansprüchen und Wertvorstellungen mitzugeben,
das es ihr erlaubt, selbständig durch die Wild- und teilweise Ödnis
des weiten Internets zu pirschen. Ganz konkret hilfreich ist dann auch eine
gut zusammengebaute "Einstiegs- oder Startseite", die mit ein paar guten
Mehrwertlinks die Recherche und das Selbststudium in die richtige Richtung
ankickt.
Und all dies muss begleitet sein von einer ständigen und aufmerksamen
Supervision, einer regelmässigen Gelegenheit, gesehenes und gelesenes
zu hinterfragen und zu besprechen, um eben das Urteilsvermögen zu schärfen.
© 2002-2004 Luzi Schucan-Wernli | kugelfisch@gmx.net
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