[01.07.2005]

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Privatisierung und freier Markt

Anmassende Quergedanken

Es gibt ein stark polarisiertes Verhandlungsthema in Politik (regional, national, und international) und Wirtschaft (die Dank der überreifen und unbeschützten oder nicht existierenden Demokratie in weiten Teilen der Welt die Politik regiert): Privatisierung und freier Markt.

In diesem Artikel möchte ich zuerst (so dilettantisch wie ein Laie das tut) darlegen, was für die freie Marktwirtschaft charakteristisch ist. Danach verteidige ich meine momentane Meinung zur Privatisierung von öffentlichen Institutionen.

Freier Markt

Die freie Marktwirtschaft in Reinform ist eine Illusion.

Unter einigen Gesichtspunkten nicht sehr anders als der Kommunismus ist sie ein Konstrukt, das vom Menschen in reiner Form nicht realisiert werden kann. Denn beide schliessen ein Establishment a priori aus: Das eine, weil alle gleiches haben und bekommen, das andere, weil jeder auch noch so erfolgreiche von einem andern wieder übertrumpft werden kann.

Als Begriff ist sie genauso wie der Kommunismus ein gutes Mittel, dem Volk Sand in die Augen zu streuen und ihm Entscheidungen unterzujubeln, die einem einen - wohl meist materiellen - Vorteil verschaffen.

In einem gegebenen System gibt es eine gemeinsame Sprache. Betrachten wir also ein solches und nennen es Volkswirtschaft. Wenn sie eine "ideal freie" wäre, würde alles durch Angebot und Nachfrage beherrscht. Das klingt gut. Alles wird billiger und besser. Logisch: wenn ein Gut zu teuer ist, wird im Nu jemand dasein, der es billiger anbietet, und wenn eines von zu schlechter Qualität ist, wird im selben Nu jemand dasein, der bessere Qualität liefert. Wobei sich die Wahrnehmung und Reklamation und Verkündung all dieser Eigenschaften in der oben erwähnten Sprache ausdrückt.

Was geschieht mit den Teilen des Systems, welche die Sprache nicht sprechen?

Beispiele:

  • die Natur (Flora, Fauna, Landschaft, der Planet Erde, welche alle notorisch weder eine banale Sprache sprechen noch von sich aus Anwälte anheuern können)
  • Effekte, die sich erst nach dem Abschluss des Güterkonsums manifestieren ("Krebsförderung", Salmonellen, Schwermetalle, DDT, Materialverschleiss etc.)
  • Uninteressierte oder überforderte Menschen (der Pöbel, "Büezer", "Alte").

Mein Anliegen ist es also, dass bei jeglichen Diskussionen um "freien Markt" die Frage nach den "Sprachlosen" gestellt wird. Und dass man sich nicht davon abbringen lässt.

Denn Ablenkung ist das, wofür es in dieser Diskussion die handfestesten Gründe gibt. Um die Gedanken der Leserin anzustossen, seien da folgende Beispiele erwähnt:

  • Je nach Produkt oder Dienstleistung können die Kosten für das Erfüllen von Umweltgesetzen (d.h. für das berücksichtigen der sprachlosen Natur) sehr hoch werden, und sind - wenn man nicht grundsätzlich von der Erhaltungswürdigkeit der Natur überzeugt ist oder sie einem einfach unter anderen Prioritäten untergeht - 100% überflüssig und somit mit grossem Budget anzufechten.
  • Dasselbe gilt für Qualitätsvorschriften, welche den zweiten der obigen Punkte kompensieren sollten.
  • Hat die Konsumgesellschaft zu leichten Zugang zu unabhängiger Information, dann leidet der Return on Investment beim Marketing. Wer nicht hinterfragt - oder eben nicht die Musse oder Möglichkeit dazu hat -, ist viel einfacher zu beeindrucken und zu sinnlosem Konsum zu verleiten.

Des Weiteren lässt sich auch aus den oben erwähnten sprachlosen Teilen des Systems ableiten, auf wessen Kosten man am meisten Einsparungen und somit Profit machen kann.

?bernehme ich also eine Eisenbahngesellschaft, drücke ich die Löhne des Personals, fahre ich dessen Arbeitsbedingungen an den Rand der Illegalität (Arbeitszeiten, Sicherheit), und investiere am liebsten nicht mehr in den Unterhalt des Schienennetzes oder das Rollmaterial. Mit einem Teil des Ersparten kann ich dann noch die Oberfläche - Sitzbezüge, Wagenbemalung - aufmotzen, damit der Passagier meint, die Privatisierung sei eine gute Sache gewesen...

Ganz nach den durch die Kybernetik offensichtlichen Sachverhalten ist es unabdingbar, den Markt in einen Rahmen einzubetten, in dem er sich selbständig entwickeln kann, ohne das übergeordnete System - z.B. die Gesellschaft, die Natur - zu beeinträchtigen.

Diese Einbettung sollte als solche öffentlich, explizit und konkret diskutiert werden.

Privatisierung öffentlicher Institutionen

Mit dem Bevölkerungswachstum kam die Notwendigkeit von Infrastruktur - Strassen, Wasserversorgung, Abwassermanagement, Postdienste. Es schien wohl selbstverständlich, dass es eine kollektive Aufgabe war, sie aufzubauen und zu erhalten.

Mit dem technologischen Fortschritt kam die Veredelung dieser Infrastruktur - Radio, Fernsehen, Telefon kamen dazu. Der Aufbau der neuen Technologien war kapitalintensiv und von ungewisser Zukunft. Es lag auf der Hand, dass dies auch aus öffentlicher Hand geschöpft werden sollte.

Gleichzeitig entwickelt sich die Wirtschaft, privates Kapital fliesst immer freier, kann sich zu immer grösseren Beträgen zusammenziehen und wird so mächtig wie das des Staates und mächtiger. Es ist - finanziell gesehen - plötzlich diskutabel, weshalb nur der Staat solche Geschäfte betreiben sollte.

Und es erscheint - finanziell - selbstverständlich, dass nun Private diese Dienstleistungen auch anpreisen dürfen sollten. Und um einen fairen Wettbewerb gewährleisten zu können, sollten die staatlichen Betriebe von staatlichen Subventionen abgeschnitten oder gar privatisiert werden.

All dies sind scheinbar "logische" und somit vertretbare Folgerungen.

Was nun aber in der Hitze der Diskussion untergeht, ist die oben dargelegte Perspektive. Die Vernachlässigung der "sprachlosen" Elemente. Denn bei der "Entstaatlichung" eines Marktes wird schlagartig von gesellschaftszentriert auf profitzentriert umorientiert.

Es geht also nicht mehr um die Sicherung von Lebensgrundlagen, sondern um die Maximierung von privatem Gewinn. Wobei das letztere ein erhöhtes Risiko für das erstere mit sich bringt.

In einer "gesellschaftszentrierten" Organisation geht es nicht primär um finanzielle Richtgrössen, sondern der Souverän - das Volk, resp. seine Repräsentanten - ist frei, praktisch beliebige Richtlinien und Massstäbe zu definieren, nach denen gehandelt und entschieden wird. Es ist also in einer solchen "Firma" schon eine Herkulesaufgabe, überhaupt dieses Regelwerk festzulegen, geschweige denn nach ihnen zu managen. Diese Herkulesaufgabe ist für öffentliche Unternehmen diejenige der Politik. Und alle Teile des Systems (egal ob sprachlos oder nicht) können dabei berücksichtigt und einbezogen werden. Selbstverständlich führt das manchmal oder gar manches mal zu überbordender Bürokratie oder Unbeweglichkeit und Ineffizienz - doch da muss wieder die Dynamik der Politik spielen.

In der "profitzentrierten" Organisation fällt die ganze Herkulesaufgabe weg. Denn da "regiert Geld die Welt". Da steht die Politik mit ihren von der Gesellschaft diktierten Priorisierung und Wertvorstellungen aussen vor, d.h. sie kann sich nur noch über gezielte, z. T. sehr schwierig durchsetz- oder kontrollierbare Gesetze für die "sprachlosen" Teile einsetzen. Sicherheit und Verfügbarkeit von Gütern oder Dienstleistungen können nicht mehr per se Unternehmensziel sein, und gesellschaftsweit vitale Infrastruktur kann plötzlich wegen eines Börsencrashs ausfallen.

Schluss

Aus all diesen Gedanken komme ich zu dem Schluss, dass Essentielle Infrastruktur nicht privatisiert werden darf. Wobei die Definition von "essentiell" durch Politik definiert werden muss. Und Diskussionen um die Privatisierung von Staatsbetrieben soll sich nicht darin erschöpfen, wieviel billiger dann eine Dienstleistung wird, oder wie viel mehr Eigenverantwortung die Bürgerin dann bekommt.

Wie eingangs erwähnt, ist dies ein viel besprochenes Thema, mit vielen guten Argumenten, die ich hier nicht erwähnen wollte.

Mehr Grundsatzdiskussion erspart ganz viel Kleinkram.

"Was ist für das funktionieren Ihres Alltags essentiell?" sollte eine Frage an das Volk sein, nicht "Soll der Staat 150 Millionen in dieses Projekt stecken?", "Soll die Firma XY auf Staatskosten saniert werden?", "Soll der Teuerungsausgleich für ... von 3.4 auf 3.3 herabgesetzt werden", etc., etc.


© 2002-2004 Luzi Schucan-Wernli | kugelfisch@gmx.net



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